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Branchentreffen auch 2022 ein voller Erfolg!

„Die Zukunft liegt in unse­ren Hän­den“ – Mit die­sen weg­wei­sen­den Wor­ten zeig­ten Pro­fes­sor Dr. Klaus Wie­mer, Wit­zen­hau­sen-Insti­tut, und Tho­mas Grund­mann, Vor­stands­vor­sit­zen­der der ASA, direkt in ihren Begrü­ßungs­re­den die Ziel­rich­tung des Kon­gres­ses und den Hand­lungs­an­spruch der Bran­che auf. Vor dem Hin­ter­grund der Kli­ma­kri­se und der sich deut­lich abzeich­nen­den Abhän­gig­keit von Roh­stoff­im­por­ten aus Russ­land spielt die Bedeu­tung der Kreis­lauf­wirt­schaft eine zuneh­mend zen­tra­le Rol­le, die in der Poli­tik noch deut­li­cher wahr­ge­nom­men wer­den müs­se, so die For­de­rung der Ver­an­stal­ter. „Der Ersatz von Pri­mär­roh­stof­fen durch die Kreis­lauf­füh­rung von Stoff­strö­men muss unter ande­rem durch Abbau von büro­kra­ti­schen Hin­der­nis­sen kon­struk­tiv und zeit­nah vor­an­ge­trie­ben wer­den“, for­der­te Tho­mas Grund­mann.

Pro­fes­sor Dr. Mar­tin Faul­stich, Vor­stand INZIN – Insti­tut für die Zukunft der Indus­trie­ge­sell­schaft, ging in sei­nem Impuls­vor­trag aus­führ­lich auf die Abhän­gig­keit von Ener­gie- und Roh­stoff­lie­fe­run­gen ein. Zurück­bli­ckend auf die vor 50 Jah­ren erschie­ne Stu­die des Club of Rome „Die Gren­zen des Wachs­tums“, den Brundt­land-Bericht „Our Com­mon Future“ im Jahr 1987 und die ers­te UN-Kli­ma­schutz­kon­fe­renz 1995 in Ber­lin wer­de deut­lich, über wel­chen Zeit­raum bereits auf die zuneh­men­de Erd­er­wär­mung und die pla­ne­ta­ren Gren­zen hin­ge­wie­sen wird. „Der Kli­ma­wan­del war­tet nicht, trotz Coro­na- und Ukrai­ne­kri­se dür­fen wir unse­re Anstren­gun­gen zur Reduk­ti­on der Treib­haus­gas­emis­sio­nen nicht zurück­stel­len“, so sein ein­dring­li­cher Appell. Auch die Zah­len des aktu­el­len IPCC-Berich­tes wei­sen auf den welt­weit immer noch stei­gen­den Ener­gie­ver­brauch und stei­gen­de CO2-Emis­sio­nen hin, eben­so wie die aktu­el­le Stu­die des UBA, nach der die Haupt­ver­ur­sa­cher für stei­gen­de CO2-Emis­sio­nen in Deutsch­land vor allem dem Ver­kehrs- und dem Gebäu­de­be­reich zuzu­schrei­ben sind. „Eine Trend­um­kehr, die Ent­kop­pe­lung des Wirt­schafts­wachs­tums vom Ener­gie- und Roh­stoff­ver­brauch, ist nach 27 Jah­ren inter­na­tio­na­ler Kli­ma­schutz­kon­fe­ren­zen und 50 Jah­re nach dem Report des Club of Rome nicht erreicht. Wir müs­sen bis zur gefor­der­ten Kli­ma­neu­tra­li­tät 2045 in 23 Jah­ren das schaf­fen, was wir in den letz­ten 50 Jah­ren nicht erreicht haben“.

Als ent­schei­den­de Wege aus der Kri­se sei neben der erfor­der­li­chen Ener­gie­wen­de durch mas­si­ven Aus­bau erneu­er­ba­rer Ener­gien das Vor­an­trei­ben einer Roh­stoff­wen­de durch Diver­si­fi­zie­rung der Roh­stoff­im­por­te von zen­tra­ler Bedeu­tung. „Zusätz­lich zur Kreis­lauf­füh­rung der haus­halts­nah anfal­len­den Wert­stof­fe muss die Opti­mie­rung des Ein­sat­zes und die Rück­ge­win­nung von Tech­no­lo­gie­me­tal­len, tech­ni­schen Roh­stof­fen und Sel­te­nen Erden in das Zen­trum der Akti­vi­tä­ten rücken“, for­der­te Faul­stich.

Im Hin­blick auf die Ziel­set­zung einer CO2-Neu­tra­li­tät bis 2045 kön­ne das Kli­ma­schutz­ge­setz eine zen­tra­le Rol­le ein­neh­men. Durch enge­re Set­zung von Ziel­kor­ri­do­ren und die Fest­le­gung von Indi­ka­to­ren könn­ten die jewei­li­gen Zie­le in einem Moni­to­ring in kür­ze­ren Inter­val­len über­prüft und nach­ge­schärft wer­den.

Ent­spre­chen­des kön­ne auch ein natio­na­les Res­sour­cen­schutz­ge­setz leis­ten, das eben­falls mit der Defi­ni­ti­on von Zie­len und Indi­ka­to­ren sowie einem regel­mä­ßi­gen Moni­to­ring eine kon­ti­nu­ier­li­che Nach­schär­fung von Maß­nah­men der Res­sour­cen­ef­fi­zi­enz ermög­li­che. Die Ein­füh­rung von Rezy­kla­tein­satz- und Sub­sti­tu­ti­ons­quo­ten soll­te wie im Koali­ti­ons­ver­trag ver­ein­bart, zeit­nah die bis­he­ri­gen Recy­cling­quo­ten erset­zen.

Pro­fes­sor Faul­stich schoss sei­nen Ein­füh­rungs­vor­trag mit einem weit­bli­cken­den Appell: „Durch tech­ni­sche Effi­zi­enz haben wir bis­her unse­re Zie­le nicht erreicht, ein Umden­ken in Rich­tung Suf­fi­zi­enz — – weni­ger und anders – ist drin­gend erfor­der­lich. Beson­ders die indus­tria­li­sier­ten Län­der müs­sen ihre Lebens­sti­le ändern: weni­ger mate­ri­el­ler Ver­brauch, weni­ger Ener­gie­ver­brauch, weni­ger Res­sour­cen­ver­brauch, mehr Kli­ma­schutz, mehr Recy­cling. Wir müs­sen eine Balan­ce zwi­schen Wirt­schaft, Staat und Gesell­schaft fin­den, auch in der Bevöl­ke­rung muss das Bewusst­sein und die Akzep­tanz für spar­sa­mes Ver­hal­ten wach­sen. Die zen­tra­le Fra­ge der Zukunft wird sein, wie eine Gesell­schaft bei gerin­gem Wirt­schafts­wachs­tum dau­er­haft sta­bil sein kann. Neue Wohl­stands­in­di­ka­to­ren müs­sen unab­hän­gig vom Brut­to­so­zi­al­pro­dukt sein.“

Im Anschluss stell­te Dr. Chris­toph Epping, BMUV, die aktu­el­len Vor­ha­ben der neu­en Bun­des­re­gie­rung zur Wei­ter­ent­wick­lung der Kreis­lauf­wirt­schaft vor. So sei die Imple­men­tie­rung des neu geschaf­fe­nen Wirt­schafts- und Kli­ma­mi­nis­te­ri­ums Bestand­teil der umwelt­po­li­ti­schen Gesamt­op­ti­mie­rung. Im Koali­ti­ons­ver­trag wer­den als Zie­le der natio­na­len Kreis­lauf­wirt­schafts­stra­te­gie die Schwer­punk­te auf den Ersatz von Pri­mär- durch Sekun­där­roh­stof­fen, die Opti­mie­rung der Kreis­lauf­füh­rung und der Recy­cling­fä­hig­keit von Pro­duk­ten, aber auch auf die Ver­stär­kung von Maß­nah­men zur Abfall­ver­mei­dung gelegt. Bezug­neh­mend auf die Flut­ka­ta­stro­phe im Ahrtal for­der­te Epping: „Die Abfall­ent­sor­gung muss bun­des­weit und flä­chen­de­ckend Anteil der kri­ti­schen Infra­struk­tur wer­den.“

Durch die schnell wach­sen­de Welt­be­völ­ke­rung und zuneh­men­de Urba­ni­sie­rung kommt der Pla­nung von „cir­cu­lar socie­ties und cir­cu­lar cities“ eine zen­tra­le Rol­le zu, um die Bemü­hun­gen zur Begren­zung des Kli­ma­wan­dels nicht schei­tern zu las­sen. Vor die­sem Hin­ter­grund stell­ten Pro­fes­sor Rüdi­ger Siechau, Spre­cher der Geschäfts­füh­rung Stadt­rei­ni­gung Ham­burg, die Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie der Stadt Ham­burg und Sabi­ne Schulz-Ham­merl, Zwei­te Werk­lei­te­rin Abfall­wirt­schafts­be­trieb Mün­chen, das Kon­zept „Zero Was­te City Munich“ vor. Wäh­rend in Mün­chen und Ham­burg noch über­wie­gend kon­zep­tio­nell gear­bei­tet wird, könn­te Tho­mas Lorenz, Vor­stand Rhein-Huns­rück Ent­sor­gung bereits über gro­ße Erfol­ge der Kreis­lauf­wirt­schaft und Kli­ma­schutz­an­stren­gun­gen berich­ten. Bilan­zi­ell erzeugt des Rhein-Huns­rück-Kreis bereits heu­te mehr als das Drei­fa­che an Strom durch erneu­er­ba­re Ener­gien als im gesam­ten Kreis ver­braucht wird.

Unmit­tel­ba­re Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels wur­den von Sascha Hur­ten­bach, Lei­ter des Abfall­wirt­schafts­be­trie­bes Ahr­wei­ler, vor­ge­stellt. Wäh­rend sei­ner aus­führ­li­chen Schil­de­run­gen der „Erkennt­nis­se aus der Flut­ka­ta­stro­phe im Ahrtal für die Abfall­ent­sor­gung“ herrsch­te für eine hal­be Stun­de abso­lu­te Stil­le im Fest­saal, die Zuhö­rer folg­ten sicht­lich berührt von den detail­lier­ten und immer noch emo­tio­nal prä­sen­ten Aus­füh­run­gen über die Kon­se­quen­zen der Flut­ka­ta­stro­phe nicht nur für die Kreis­lauf­wirt­schaft in der Regi­on. Sein Fazit: „Ich bin abso­lut stolz auf unse­re Bran­che. Unse­re Abfall­wirt­schaft als hoch­tech­ni­sier­tes, inge­nieur­tech­ni­sches Spit­zen­pro­dukt — bild­lich der Fer­ra­ri — muss­te gezwun­ge­ner­ma­ßen auf den Feld­weg und hat sich abso­lut bewährt. Die Bran­che hat mit die­sen völ­lig unklas­si­fi­zier­ba­ren Abfäl­len umge­hen kön­nen, hat zeit­nah Kata­stro­phen­sen­ken in Form von Deponie‑, Auf­be­rei­tungs- und Recy­cling­we­gen gefun­den. Das abfall­wirt­schaft­li­che Bewusst­sein der Bür­ger hat wei­ter­hin funk­tio­niert, Pro­blem­ab­fäl­le wur­den aus­sor­tiert, ca. 30.000 Elek­tro­ge­rä­te, z. B. wei­ße Ware und Groß­ge­rä­te, wur­den über­wie­gend getrennt gela­gert.“

Sei­ne zen­tra­len For­de­run­gen für die Zukunft: „Ein Geneh­mi­gungs­ge­bot im Kata­stro­phen­fall und eine euro­päi­sche Abfall­schlüs­sel­num­mer für Kata­stro­phen­ab­fäl­le nicht näher genann­ter Her­kunft, die für jede Abfall­an­la­ge posi­tiv geneh­migt wer­den kön­nen.“

Es folg­ten mehr als 60 Vor­trä­ge renom­mier­ter Refe­ren­ten aus Poli­tik, Wis­sen­schaft, Wirt­schaft und Pra­xis. Das Kon­gress­pa­lais Kas­sel war auch 2022 ein fach­li­cher Treff­punkt und Dis­kus­si­ons­fo­rum für aktu­el­le The­men: Per­spek­ti­ven der Kreis­lauf­wirt­schaft, Kli­ma- und Res­sour­cen­schutz, Bio­ab­fall­ver­ord­nung, TA Luft, Bio­ab­fall­be­hand­lung, Kom­post­qua­li­tät, bio­lo­gisch abbau­ba­re Pro­duk­te, Umset­zung Ver­pa­ckungs­ge­setz und PPK-Mit­be­nut­zung, che­mi­sches Recy­cling und Müll­ver­bren­nung, inno­va­ti­ve Kon­zep­te und alter­na­ti­ve Antrie­be, Depo­nie und Wei­ter­ent­wick­lung MBA.

An den drei Ver­an­stal­tungs­ta­gen nah­men 750 Teil­neh­mer und 60 Aus­stel­ler teil. „Die posi­ti­ven Rück­mel­dun­gen der Teil­neh­mer bestä­ti­gen die Aus­rich­tung des Kon­gres­ses, wir sind mit dem Ver­lauf sehr zufrie­den“, so Dr. Micha­el Kern, der gemein­sam mit Prof. Dr. Klaus Wie­mer und Tho­mas Raus­sen den Kon­gress zum 33. Mal ver­an­stal­ten konn­te.

Bir­te Turk, Müll und Abfall